Notizen und Synthesen aus einem Besuch der Sonderausstellung “Der Weg des Meisters” über indische Malerei von 1100 bis 1900 im Rietbergmuseum Zürich
Meisterschaft zeigt sich im Detail, nicht im grossen Wurf. Der Meister war für die Skizzen und für das Ausfüllen der kleinen Flächen zuständig. Die grossen Flächen der Miniaturbilder malten die einfachen Schüler und Auszubildenden. Die Skizzen wiederum hatten ihre Grundlagen in den Traditionen der jew. Kunstschulen. Schliesst man aufgrund dessen, dann waren Detailliertheit, Präzision, Lebenstreue und Beseeltheit die Kriterien hoher Kunst. Grosse Würfe und Strukturen waren Sache für Anfänger.
Es geht nicht um Geschick oder Kunstfertigkeit, sondern um Lebendigkeit: Die grossen Flächen malten die Auszubildenden. Ganz am Ende jedoch malte der Meister die Augen der Figuren aus und erweckte so das Bild zum Leben. In diesem Detail steckt die Seele des Bildes.
Meisterschaft bedeutet Bescheidenheit. Meisterschaft ist nicht mit Ruhm und Bekanntheit verbunden. Die Signaturen der Meister sind oft so versteckt, dass sie nur mit Lupe oder gar Mikroskop aufzufinden sind. Viele Werke lassen sich nur durch Detektivarbeit einer Schuler oder gar einer Person zuschreiben.
Wir beweisen Meisterschaft, Formenreichtum und wirkliche Offenheit durch die Kenntnis und Aufnahme anderer Disziplinen. Es gab mindestens im 17. Jh. bereits Intermedialisten, also Maler, die zum Beispiel Ragas als Inhalte ihrer Bilder genommen haben, ähnlich wie Paul Klee Musik in Bilder umsetzte. Ein solches Beispiel ist der Maler Nasiruddin um 1605 (dessen Name mich an sufitische Mystiker erinnert).
Wir lösen neue Probleme und Chancen neuer Möglichkeiten, indem wir beweisen, dass wir die alten Werte wirklich kennen. Im 19. Jh. werden die Flächen der Bilder grösser und damit auch das Problem, wie man mit den neuen Möglichkeiten umgeht. Vorher waren grosse Flächen Sache der Anfänger. Noch immer sind Miniaturen der Kern der Abbildung. Nun jedoch stellen sich neue Kompositionsprobleme. Der Künstler Tara löst dies mit Rückgriff auf eine andere Kunst und füllt den Raum mit architektonischen Formen und Rhythmen.
Wir sind offen für Neues und fügen es unserer Formsprache hinzu. Ende 19. Jh. hält ein neues Medium Einzug, die Fotografie. Pastiches werden geschaffen, indem man Fotos übermalt. Künster, die dies beherrschten, waren zum Beispiel Mohanlal und Shivalal aus der 2. Hälfte 19. Jh.